Saatgut-Entwicklung und Ernährung
Qualitäten für die Zukunft
Die gegenwärtige Situation der Saatgut-Entwicklung von Getreide erfordert nicht nur das Erzeugen neuer Sorten für den landwirtschaftlichen Gebrauch, damit genügend Saatgut in vielfältiger Art für die verschiedensten Bedürfnisse der zahlreichen Hofindividualitäten regional zur Verfügung steht, sondern auch neue Qualitäten für die Ernährung. So ausgesprochen ist das zunächst ein hoher Anspruch, denn was bedeutet denn „neue Qualität“ in der Ernährung?
Der Mensch wandelt sich und mit ihm seine Ernährung. In der heutigen Zeit nimmt die schwere körperliche Arbeit in der Bevölkerung der Industrieländer immer weiter ab. Ein Prozess, der auch in den Ländern mit hohem Anteil landwirtschaftlich und handwerklich beschäftigter Menschen immer weiter fortschreitet. Gleichzeitig wird das Angebot an Nahrungsmitteln immer reichhaltiger, immer komplexer und gefolgt von hunderterlei Ernährungshinweisen. Die Produkte und auch die unverarbeiteten Nahrungsmittel werden dabei auch noch anonymer und haben immer häufiger eine globale Herkunft, die nicht mehr – nur in wenigen auf ihren genauen Herkunftsort deklarierten Fällen – nachvollzogen werden kann. Von genetisch veränderten Produkten und ihren verborgenen Wegen auf den Teller des Konsumenten, z. B. über die Fütterung der Tiere, soll hier erst gar nicht gesprochen werden.
Beziehungsfragen
Wie kann der Mensch also Nahrung in der rechten Weise seinen jetzigen Arbeitsvorgängen – diese sind nun viel mehr denkerischer als körperlicher Natur – so zugutekommen lassen, dass seine Gedankenarbeit, aber auch sein körperlicher Aufbau in fruchtbarer Weise gefördert werden können? Das ist eine Frage. Eine andere ist: Wie kann er der Verbindungslosigkeit mit seiner Lebensregion entgegenwirken, sich also wieder erden und in seine unmittelbaren Lebenszusammenhänge über die Nahrung – wenigstens teilweise wieder eintauchen? Wir stehen mit der Beantwortung dieser Fragen erst am Anfang! In diesen Fragestellungen, die in diesem Zusammenhang durch viele weitere noch ergänzt werden können, wird deutlich, dass in den Ernährungsbedürfnissen und den Nahrungsangeboten für uns Menschen gewaltige Veränderungen vorgegangen sind, die eine Verbindung des Menschen mit der Erde seines Lebensraumes über die Nahrung zunehmend unmöglich macht. Es können sich nur noch Wenige von dem ernähren, was die Erde unmittelbar in der Nachbarschaft des einzelnen Menschen hervorbringt. Noch konkreter gefasst, das was sich in der Pflanze im Austausch von Erde und Kosmos der Region durch Erdengeist und Sonnengeist ausspricht, kann dem Menschen dieser Region nicht mehr als Nahrung dienen. Der Zugang zu dem Elementarischen einer subtropischen Gegend kann ihm in Form beispielsweise einer Mango mitgeteilt werden und ist entsprechend in fast jedem Supermarkt vorhanden, aber nicht oder nur sehr, sehr begrenzt die irdisch kosmischen Vorgänge seiner unmittelbaren Lebensumgebung. Das kann nachdenklich stimmen, denn es spiegelt eine regelrechte Bewusstlosigkeit und Verantwortungslosigkeit des „modernen“ Menschen gegenüber den Zusammenhängen und Kräften seiner eigentlichen Ernährungsumgebung, nämlich dem Land, auf dem er wohnt, wider.
Das soll hier nicht zum Vorwurf gemacht werden, denn im Grunde ist der Mensch, der in diesen Zusammenhang geboren wird, zunächst in diesen gestellt, ohne dass er einen Einfluss auf ihn hat, denn er kann sich nicht vom nächsten Acker ernähren, wenn er ihm nicht gehört und wenn die Produkte davon in fernen Raffinerien, Mühlen oder anderen Verarbeitungswegen ihm nicht zur Verfügung stehen.
Regenerationsprozesse
Aus diesem Grund erscheint es überaus sinnvoll, Nahrungsmittel aus der Region dem Menschen der Region wieder zur Verfügung zu stellen. Ihm wird dadurch die Möglichkeit gegeben, den Zusammenhang dieses Lebewesens mit der Erde, ihrem Klima, ihrer Pflanzen, Tiere und nicht zuletzt den Menschen, die es pflegen, wieder bewusst herzustellen. Könnte sich nicht über eine solche Ernährung bei entsprechender Gesinnungsanlage beim Menschen etwas bemerkbar machen, was ihm ein Gefühl der Zugehörigkeit zu dem Land, auf dem er wohnt und seinen Mitmenschen vermittelt? Könnte in ihm ein folgerichtiges Gefühl der Verantwortung für das Leben mit der Erde und ihrer Zukunft erwachen? Eben weil er in doppelter Hinsicht – zum einen über die Nahrung und zum anderen auch über das Umfeld, in dem sie entsteht, wieder in Berührung damit kommt.
Die erste Frage, die gestellt wurde bezog sich auf einen anderen sehr wichtigen Aspekt, nämlich, wie die gesamte gegenwärtige, körperlich-geistige Konstitution des Menschen über die Nahrung fruchtbar gefördert werden kann. Hier muss, ausgehend davon, dass die Pflanzen nun in der Region angebaut werden, auf diese und ihre Pflege selbst geschaut werden.
In den letzten hundert Jahren haben die Nahrungspflanzen durch den industriellen Wandel in der Landwirtschaft, durch die ertragsorientierte Kreuzungs- und Hybridzüchtung und die genetischen Manipulationen eine Entfremdung von ihrem eigenen Wesen erlebt. Diese Entfremdung äußert sich beim Getreide vor allem durch eine extreme Kürzung seiner Wuchshöhe, eine entsprechende Flachwurzelung sowie Geschmacks- und Aromaverlust. Das ist wiederum eine Folge davon, dass es selbst auch nicht in der rechten Weise mit Erde und Kosmos in Verbindung steht. Es steht mit diesen Bereichen ähnlich zusammenhangslos da, wie der Mensch mit seinen derzeitigen, bereits skizzenhaft geschilderten Ernährungsmöglichkeiten. Das Getreide stellt nun nur noch ein Zerrbild seines eigentlichen Wesens dar.
Die Pflanzen müssen also ihrerseits kontinuierlich an den irdisch-kosmischen Entwicklungsstrom angeschlossen werden. Durch entsprechende Konstellationssaaten und Nutzung irdisch-kosmischer Rhythmen, z. B. Aussaat in Sommernähe im Wechsel mit Aussaat in Winternähe oder Impulse durch Planetenkräfte, kann Tiefenverwurzelung, hohes Wachstum und Aromabildung wieder erreicht werden. Durch die Angliederung an einen Standort und die Hofindividualität wird der Wiederanschluss an das Gespräch zwischen Erdengeist und Sonnengeist – speziell an diesem Ort – wieder möglich. Ja, das Gespräch selbst zwischen Erden- und Sonnengeist wird erst dadurch in fortführender Weise gewährleistet, wenn eine Hofsorte etabliert ist.
Dieser Regenerationsprozess kann auch als geführter Wiederanschluss an die Urbildkräfte der Pflanze bezeichnet werden. Es handelt sich im Grunde um einen dynamischen Zustand, in dem folgende Funktionen durch den Menschen geführt harmonisch und vereint wirksam sind:
• die Kraft der Reproduktion zur Keimung, Zellvermehrung und Wiederausbildung eines Samens
• Lebenskraft oder Vitalität zur Ausbildung von Stoff in der rechten, gesunden Weise
• Gestaltungskraft zur Ausbildung und Vollendung der gesamten Gestalt mit langem Halm, Blüte und reich tragender Ähre, Gesundheit und Aroma
• Fruchtbildung und Nahrhaftigkeit für den Menschen
• Aufrechterhaltung und Vervielfältigung genetischer Variabilität zur Weiterentwicklung mit den klimatischen Veränderungen, Aufnahmefähigkeit gegenwärtiger und zukünftiger kosmischer Impulse für eine folgerichtige Weiterentwicklung von Pflanze und Mensch
Im Rahmen der bisherigen Regenerationsarbeit fiel nun auf, dass es dem Pflanzenwesen Weizen recht schwer fiel in Bezug auf die angewendeten Maßnahmen neue Vitalität und Backfähigkeit zu entwickeln. Ausnahmen bezüglich dieser Fähigkeit zeigte eine besondere Linie aus den Urweizen – nämlich der Schwarze Winteremmer. Aus diesem ließen sich Weizenlinien herausarbeiten, die eine solche Vitalität aufwiesen, dass sie in den sehr trockenen Jahren 2018 und 2019 mit einer Trockenresistenz aufwarten konnten, die eine acht- bis zehntägige Reifeverzögerung – also einen verstärkten Umgang mit dem Wässrigen gegenüber den Standardweizen und den Landsorten – zeigte. In den ersten Backversuchen dieses Herbsts äußerte sich zudem in einigen Linien eine Backfähigkeit, die im Hefelockerungsverfahren ein gutes Volumen aufwies. Die Schrotqualität ist noch nicht vollends erfasst, weist jedoch neue Eigenschaften gegenüber den bisherigen Sorten auf. So ist eine besondere Lockerung trotz eines recht weichen und grobkleiigen Schrots im Brot wahrnehmbar.
Diese guten Eigenschaften sind auffallend und könnten darauf hinweisen, dass in einem Urgetreide, wie dem Emmer und seinen jungen Weizenabwandlungen noch Kräftereserven vorhanden sind, die bei den Weizenland- und Standardsorten aufgrund ihrer längeren Kulturdauer schon in gewissem Grad aufgebraucht sind. Gleichzeitig schließt so ein neu entstandener Weizen an eine weitestgehend von modernen Züchtungsvorgängen verschonte Urform und damit an eine unverfälschte Geschichte – einen Urstrom – an. Trotz dieses Anschlusses an ein Urgetreide liegt hier jedoch eine gegenwärtige Weizenform vor, die dem Menschen von heute als eine der Hauptnahrungspflanzen dient. Sie hat allerdings gegenüber dem durch Industrielandwirtschaft und Hochleistungszüchtung korrumpierten Weizen eine noch unverbrauchte Frische.
Entwicklungsprozesse
Um auf die Frage der menschengemäßen Ernährung durch Getreide – in unserem Falle Weizen – zurückzukommen, sehen wir hier einen weiteren wichtigen Einfluss, der bei der Nahrung für eine vollwertige Ernährung eine Rolle spielt: der wahrhaftige Anschluss an die Vergangenheit. Das klang in der Beschreibung der Urbildkräfte im Begriff der folgerichtigen Weiterentwicklung schon einmal leise an. Wir können sehen, dass ein Getreide den Anschluss an den gegenwärtigen Elementarzusammenhang der Region und der Hofindividualität erlangen kann. Es kann durch Regenerationsmaßnahmen auch den Anschluss an das kosmische Geschehen wiederfinden und sich darin verankern und Zukunftsimpulse aufnehmen. Diese finden ihren wirkungsvollen Niederschlag jedoch erst, wenn der Zugang zur Vergangenheit (der durch das Wirken des Urbilds entstandenen Pflanze) den Boden bildet, auf den die Zukunft fruchtbar und folgerichtig aufbauen kann. Im eigentlichen Sinne des Urbilds haben wir es mit einem zeitlosen Wesen zu tun, das aus der Dauer in die zeitlichen Entwicklungsprozesse (der Pflanze) hereinwirkt, doch das soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden.
Wir sind an diesem Punkt bei der Beantwortung der Frage: „Was bedeutet denn neue Qualität in der Ernährung?“ zu der Feststellung gekommen, dass es zunächst einmal Not tut, die Nahrungspflanzen in der Region zu befestigen und sie damit an die Gegenwart und durch entsprechende Maßnahmen an den Kosmos anzuschließen. Wir schließen sie weiterhin an ihr Urbild weit entfernter, aber wahrhaftiger Vergangenheit und ihre damit verbundenen Funktionen harmonisch an, was auch ihre Gestalt und Qualität in jeder Hinsicht sinnvoll steigert. Mit der Weiterentwicklung eines Urgetreides, wie dem Emmer, schließen wir an ein Wesen an, das seinen Urkräften noch näher liegt und entfalten es zu einem Weizen mit noch „jugendlicher“ Kraft.
Zukunftsimpulse
Aus einer solcherart gewachsenen Nahrungspflanze kann der Mensch Kräfte und Substanzen erhalten, die ganz aus dem (geistes-) gegenwärtigen Zusammenhang seiner Umgebung entstanden sind. Dieser Zusammenhang hat einen sinnvollen und stimmigen Anschluss an die Vergangenheit und beinhaltet irdisch-kosmische Impulse, die Zukunft ermöglichen. Das lässt sich auch auf alle Kulturpflanzen übertragen. Da heraus kann ein menschlicher Körper aus Kräften und Stoffen gesund aufgebaut werden. Es liegt nun in der freien Willensentscheidung des Menschen diese Kräfte in seinem Denken und Handeln in der rechten Weise zu nutzen.
Bezüglich der Züchtung und der Bildung neuer und entwicklungsträchtiger Nahrungsmittel kann der Mut wachsen, sich mit anderen Urgetreiden, z. B. dem Einkorn, zu beschäftigen. Aber auch aus dem Wissen heraus, dass unsere Getreide einmal aus Gräsern entstanden sind, macht es Sinn, Wege zu suchen, auch diese zu entwickeln und dort auf eine Art pflanzlichen Jungbrunnen zu stoßen.
Die Gräser haben ja noch gar nicht als Nahrung dem Menschen gedient und verfügen vermutlich über noch ganz brach liegende Kräfte. Hier eröffnen sich ganz neue und sehr unbekannte Welten, die – man staune – von unseren Vorfahren vor langer Zeit schon einmal betreten wurden. Das bewusste Entschlüsseln von Maßnahmen, um solche Entwicklungen anzustoßen, steht uns erst noch bevor.
Patrick Schmidt